Miteinander reden und voneinander lernen

Unter diesem Motto hatten die GRÜNEN aus Regenstauf zu einem Besuch auf den Hof der Familie Graf in Hagenau aufgerufen zum Thema: „Die GRÜNEN und die Landwirtschaft“. Bei feuchtkaltem Wetter trafen sich am Samstagnachmittag, dem 9. November 2019, mehr als 30 Interessierte, neben den Mitgliedern der GRÜNEN auch zahlreiche Landwirte, deren Betriebe meist konventionell betrieben werden.

Stefan Graf heißt die Anwesenden willkommen, gibt in seinen Begrüßungsworten aber sogleich auch seinen Unmut über das Bild der Bauern in der öffentlichen Meinung kund. Er habe schon gar keine Lust mehr, den Fernseher einzuschalten, da so viele Falschmeldungen kursieren. Er begrüßt daher ausdrücklich die Gelegenheit zum Dialog und möchte, dass Bauern nicht als Feinde der Natur angesehen werden sondern als diejenigen, die in der Natur leben und sich am gesunden Wachstum erfreuen.

Erich Kufner, Bürgermeisterkandidat der GRÜNEN Regenstauf und selbst auf einem Bauernhof aufgewachsen, zeigt Verständnis für die Sorgen der Landwirte und ist überzeugt, dass sie gleichermaßen an den brennenden Themen Klimawandel, Artenschutz und Tierwohl interessiert sind. Und das Treffen soll dazu führen, sich besser zu verstehen.

Die Frustration der Bauern ist spürbar. Sie bemängeln, dass die komplexen Zusammenhänge der Landwirtschaft in der Bevölkerung zu wenig bekannt sind und daher nicht beurteilt werden können. Viele hören nur immer wieder von Subventionen, sind neidisch und verteufeln daher pauschal die Landwirte. Unverständlich ist auch, dass in der Werbung ein realitätsfernes Bild der Landwirtschaft gezeigt wird.

Jedem Haustierhalter ist bewusst, dass Tiere sensible und liebenswerte Lebewesen sind, aber das allgemeine Kaufverhalten zeigt nichts von dieser Einsicht. Wenn es um die Fleischqualität geht, ist der Ruf nach Bioware laut, aber gekauft wird letztlich, was am billigsten ist. Doch Qualität kann nicht zum Nulltarif produziert werden.

Wie kann es dazu kommen, dass das Bild der Landwirte in der Öffentlichkeit so verzerrt dargestellt wird? Stefan Graf gibt dazu ein Beispiel. Wenn eine seiner Kühe krank wird, muss er sie aus dem Stall holen. Das geht aber nur mit Einsatz von schwerem Gerät und wenn die Kuh dann unter viel Mühe abtransportiert wird, gibt das keinen schönen Eindruck. Militante Tierschützer setzen gern solche Bilder in die Presse, ohne den Zusammenhang darzustellen. So prägt sich das Image von Landwirten, denen das Tierwohl egal sei.

Doch niemand unter den Anwesenden bestreitet, dass es durchaus Missstände gibt. Erich Kufner fordert die Landwirte auf, sich untereinander gegen diejenigen Kollegen zu wehren, die massiv gegen Umweltschutz und Tierwohl verstoßen. Immerhin würde doch jeder Bauer wissen, mit welchen Methoden sein Nachbar wirtschaftet und könnte durch interne Kontrolle verhindern, dass durch einige schwarze Schafe die ganze Branche in Misskredit gerät.

Insgesamt herrscht Einigkeit, dass unter den engagierten Landwirten biologische und konventionelle Landwirtschaft nicht weit auseinander liegen.

Dieser Eindruck wird beim Rundgang durch den Betrieb noch verstärkt. 140 Kühe stehen in einem an einer Seite offenen Stall mit Mittelgang. Die Tiere können sich in ihrer Hälfte frei bewegen, sie haben freie Sicht auf das Geschehen außerhalb des Stalls und Marianne Graf kann stolz berichten, dass ihre älteste Kuh bereits 14 Jahre alt ist. Die Tiere wirken neugierig und zufrieden. Marianne Graf informiert, dass sie allein mit dem Melken schon 6 Stunden täglich beschäftigt ist. Sie kennt jede Kuh und ihre individuell sehr unterschiedlichen Charaktere. Trotz der vielen Arbeit ist sie gerne im Stall und genießt die wohlige Atmosphäre. Warum ist es hier so kuschelig? „Frauen unter sich …“ schmunzelt sie.

Alle anwesenden Landwirte klagen über zu geringe Verdienstmöglichkeiten und machen die aktuelle Agrarpolitik dafür verantwortlich, die die großen Betriebe verstärkt fördert. „Kleine Leute sollen kein Geld verdienen“, klagt ein Landwirt. Diese Entwicklung sei falsch.

Unmut äußert er auch über manche Verordnungen, die der Realität nicht gerecht werden. Beispielsweise ist es strikt verboten, im Umgang mit den Tieren harte Gegenstände wie Stöcke einzusetzen. Das durfte er auch nicht, als ein Stier seine Frau angriff und mehrfach gegen die Stallwand drückte. Der Stier ließ erst ab, als der Hofhund eingriff und Schlimmeres verhinderte.

Stolz ist Stefan Graf auf seine Biogasanlage, die seit 2011 läuft und je nach Bedarf variabel Strom liefert, innerhalb eines geschlossenen Kreislaufs. Graf versteht die heutige Politik nicht, die auf Photovoltaik setzt, die aber diese Flexibilität nicht leisten kann. „Biogas ist optimal.“

Der Hof der Grafs wird von nur drei Personen bewirtschaftet, Eltern und erwachsenem Sohn. Das bedeutet für jeden vollen Einsatz Tag für Tag. Trotzdem schwärmt Stefan Graf von seinem Beruf. Seine Augen leuchten, wenn er erzählt, wie glücklich er bei Regenwetter ist und sich dabei vorstellt, wie dankbar sein Land dieses wichtige Nass aufsaugt und alles wächst. Spontan ruf Erich Kufner: „Stefan, du bist ein Grüner!“

Die Besucher waren insgesamt so beeindruckt von der Effizienz der Familie Graf und dem wichtigen Beitrag, den sie zur Bewältigung der Energiewende liefern, dass die grünen Besucher ihre kritischen Fragen zum Artenschutz nicht mehr stellten. Sie labten sich stattdessen an der von Familie Graf und Erich Kufner zu Verfügung gestellten Brotzeit.

Stefan Graf hat in einer späteren Mail aber seine Bereitschaft erklärt, sich auch in Zukunft an Diskussionen mit den GRÜNEN zu beteiligen.

Insgesamt hat die Zusammenkunft die Diskrepanzen zwischen den Positionen aufgeweicht und sehr zu einem Verständnis für beide Seiten beigetragen.

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